Im Notlagentarif der privaten Krankenversicherung ist der Versicherer nicht gehindert, mit rückständigen Beiträgen gegen Kostenerstattungsansprüche des Versicherungsnehmers aufzurechnen.
(Leitsatz des Gerichts)
Der Kläger ist bei dem beklagten Versicherer (PKV) wegen Prämienrückständen im so genannten Notlagentarif nach § 193 Abs. 6 und 7 VVG versichert. Für eine stationäre Behandlung stellt ihm das Krankenhaus rd. 1.900 Euro in Rechnung. Die PKV verweigert die Erstattung der Behandlungskosten mit Verweis auf die rückständigen Prämien.
Die umstrittene Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung im Notlagentarif entscheidet der BGH zu Lasten der überschuldeten Versicherungsnehmer*innen. Der Notlagentarif war mit dem Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung 2013 neu eingeführt worden. Einige Gerichte insbesondere in NRW hielten eine Aufrechnung in diesem Tarif für unzulässig (z.B. OLG Hamm und LSG NRW). Denn die Aufrechnung widerspreche dem Schutzzweck des Gesetzes, weil betroffene Versicherungsnehmer*innen dadurch die medizinischen Notfallleistungen selbst bezahlen müssten.
Aber laut BGH seien die Ziele der Neuregelung, „die Beitragsschuldner vor weiterer Überschuldung zu schützen und gleichzeitig ihre Notfallversorgung zu gewährleisten“, nicht beeinträchtigt (Rn. 18ff.). Denn „Ziel des Notlagentarifs mit der Herabsetzung der Beitragspflicht ist es gerade auch“, den Versicherungsnehmer*innen „die Bezahlung rückständiger Prämien aus der Zeit vor der Ruhendstellung des Vertrages zu ermöglichen“ (Rn.20). Der Notlagentarif sei kein Bedürftigentarif. Hilfebedürftige Versicherungsnehmer*innen könnten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch beanspruchen (Rn. 21).

https://www.gesetze-im-internet.de/vvg_2008/__193.htmlhttps://www.fbsb-nrw.de/2017/10/ueberschuldung-und-private-krankenversicherung/http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=4&nr=90842&pos=120&anz=502

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