Was passiert eigentlich, wenn im Insolvenzverfahren keine Steuererklärungen abgegeben werden? Wer ist zuständig für die Abgabe der Steuererklärung, welche Pflichten sind von wem zu erfüllen und wer haftet dem Finanzamt gegenüber, wenn diese verletzt werden?
Diesem Problem widmen sich die beiden folgenden Entscheidungen. Es geht um Steuerforderungen, die für Zeiten während des Insolvenzverfahrens (oder auch davor) angefallen sind. Für die vor Insolvenzeröffnung begründeten Steuerforderungen können die Schuldner*innen immerhin Restschuldbefreiung erlangen. Klar ist auch, dass sie für Zeiten nach Aufhebung des Verfahrens wieder allein für die Abgabe ihrer Steuererklärungen zuständig sind und ggfs. haften. Und wer haftet im Übrigen?
BFH: Schuldner*in haftet für Steuerschulden nach Verfahrens-Aufhebung
Wird die Einkommensteuer (für Zeiträume während des Insolvenzverfahrens) erstmals nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens festgesetzt, ist der Steuerbescheid dem vormaligen Insolvenzschuldner (…) bekannt zu geben; eine Bekanntgabe an den vormaligen Insolvenzverwalter kommt nicht mehr in Betracht. (Leitsatz 2, Klammereinfügung durch d. Red.)

Sachverhalt:
Der (Insolvenz-)Schuldner ist Eigentümer eines vermieteten Hausgrundstücks. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt die Insolvenzverwalterin die Vermietung fort, gibt aber u.a. für die Einnahmen aus der Vermietung keine Steuererklärungen ab. Das Haus wird schließlich verwertet, das Verfahren aufgehoben und dem Schuldner einige Zeit später die Restschuldbefreiung erteilt. Kurz darauf setzt das Finanzamt gegenüber dem (früheren) Schuldner die Einkommensteuer für die Zeit der Vermietung während des Insolvenzverfahrens fest.
Entscheidung:
Der Schuldner haftet nach Meinung des Bundesfinanzhofs nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich für die Steuerschulden, die während des Verfahrens – als sogenannte Masseverbind-lichkeiten – angefallen sind: der Steuerbescheid kann nicht mehr an die Insolvenzverwalterin gerichtet werden. „Wegen aller noch offenen Masseverbindlichkeiten kann ab diesem Zeitpunkt nur noch der Schuldner in Anspruch genommen werden“ (Rn. 19 f.). Der BFH lässt dabei offen, ob die Verwalterin persönlich für die Steuerforderung haften müsse. Auch die erteilte Restschuldbefreiung ändere nichts an dem Bestehen der Steuerschuld, da die Restschuldbefreiung nur gegen die Insolvenzgläubiger wirke. Die laut BFH umstrittene Möglichkeit der beschränkten Nachhaftung für die Steuerschuld (hier auf das Hausgrundstück) helfe dem Schuldner auch nicht, da sie nur zu einer Vollstreckungseinrede führen könne und nicht die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung berühre (Rn. 24).

http://www.rechtsprechung-im-internet.de/jportal/portal/t/19ke/page/bsjrsprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=10908&fromdoctodoc=yes&doc.id=STRE201910114&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint

FG Nürnberg: Insolvenzverwalter*in haftet für Steuerpflichten im Verfahren
Das Finanzgericht Nürnberg leitet aus der Verpflichtung der Insolvenzverwalter*innen, alle ausstehenden Steuererklärungen der Schuldner*innen anzufertigen und abzugeben, eine Haftung der Verwalter*innen gegenüber dem Finanzamt ab, wenn sie diesen Pflichten nicht nachkommen.
Rechtsanwalt Henning erläutert dazu: „Auch wenn abzuwarten ist, ob der Bundesfinanzhof diese Feststellung teilt, soll hier noch einmal an die steuerlichen Pflichten des Verwalters in den Verfahren der natürlichen Personen erinnert werden.
Der Schuldner verliert durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine steuerliche Handlungsfähigkeit, daher kann nur der Verwalter als Vermögensverwalter die offenen Steuererklärungen bei der Finanzverwaltung abgeben (BGH Beschl. 18.12.2008 – IX ZB 197/07- NZI 2009). Dies gilt nicht nur für die ab Eröffnung bestehenden Verpflichtungen, sondern auch für die vorher entstandenen. Der Insolvenzverwalter hat also auch die vom Schuldner bis zur Antragstellung unerledigt gelassenen Erklärungen anzufertigen und abzugeben.“ (…) „Der Schuldner hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten dem Insolvenzverwalter die für die Abgabe der Steuererklärung erforderlichen Unterlagen vorzulegen“. Newsletter RA Henning 7-19

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