Eine Schuldnerin beauftragt einen Rechtsanwalt schriftlich, sie bei der Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens zu unterstützen. Der Rechtsanwalt erfragt telefonisch ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Der Anwalt erstellt den außergerichtlichen Schuldenregulierungsplan (hier ein flexibler Nullplan). Diesen Plan lehnt ein Gläubiger ab, die anderen reagieren nicht. Der Rechtsanwalt bescheinigt das Scheitern des Plans. In dem sich anschließenden Insolvenzeröffnungsverfahren teilt die Schuldnerin auf Nachfrage des Insolvenzgerichts mit, dass die Beratung schriftlich und telefonisch erfolgt sei. Das Insolvenzgericht weist den Eröffnungsantrag als unzulässig zurück, weil die vorgelegte Bescheinigung über das außergerichtliche Scheitern nicht den gesetzlichen Anforderungen genüge. Es sei zweifelhaft, ob eine persönliche Beratung der Schuldnerin stattgefunden habe. Dieser Einschätzung schließt sich das durch die Schuldnerin angerufene Landgericht an. Die Rechtsbeschwerde sei hiergegen nicht zuzulassen.

Das Bundesverfassungsgericht gibt der Verfassungsbeschwerde der Schuldnerin, die offensichtlich begründet sei, durch eine Kammerentscheidung statt. Die Entscheidung des Landgerichts verletzte die Schuldnerin in ihrem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes, soweit das Landgericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen habe (Rn. 12 f.). Denn in dem konkreten Fall seien zwei entscheidungserhebliche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären: Erstens, „ob eine Berechtigung der Insolvenzgerichte zur Prüfung der Antragsunterlagen dahingehend besteht, ob die geeignete Person im Sinne des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO n.F. den Schuldner persönlich beraten hat“ (Rn. 18). Zweitens, „welche Anforderungen an die persönliche Beratung des Schuldners nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO n.F. zu stellen sind“, ob dabei eine gleichzeitige Anwesenheit von Berater*in und Schuldner*in im Sinne einer „face-to-face-Beratung“ erforderlich sei (Rn. 19). Zu beiden Fragen fehle eine höchstrichterliche Entscheidung (Rn. 20). Siehe die Anm. im Inso-Newsletter RA Henning 10-20

BVerfG, Beschluss vom 04.09.2020 – 2 BvR 1206/19