Der Bundesrat hat am 25. Juni 2021 beschlossen, der „Verordnung zur Anpassung der Stromgrundversorgungsverordnung und der Gasgrundversorgungsverordnung an unionsrechtliche Vorgaben“ aus dem Bundeswirtschaftsministerium Verordnungsentwurf des BMWi nach Maßgabe einiger Änderungen zuzustimmen. Die neuen Regelungen kann das BMWi nicht ohne Zustimmung des Bundesrates festlegen (§ 39 Absatz 2 EnGW). Daher werden sie mit den vom Bundesrat geforderten Änderungen demnächst in Kraft treten (Änderungen des Bundesrates gegenüber dem Entwurf kursiv):
Der Schwellenwert, ab dem eine Sperre bei Zahlungsverzug zulässig ist, soll auf das „Doppelte der rechnerisch auf den laufenden Kalendermonat entfallenden Abschlags- oder Vorauszahlung oder, wenn keine Abschlags- oder Vorauszahlungen zu entrichten sind, mit mindestens einem Sechstel des voraussichtlichen Betrages der Jahresrechnung angehoben werden und mindestens 100 Euro betragen“.
Der Grundversorger wird verpflichtet, mit der Sperrandrohung darüber zu informieren, dass die Betroffenen Gründe für eine Unverhältnismäßigkeit der Sperre vortragen können. Die Sperre ist „insbesondere“ dann unverhältnismäßig, „wenn infolge der Unterbrechung eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben der dadurch Betroffenen zu besorgen ist oder wenn von ihr grundlegende Belange von Minderjährigen, pflegebedürftigen oder schwerkranken Personen betroffen sind“.
Der Grundversorger wird des Weiteren verpflichtet, mit der Sperrandrohung, die wie bislang vier Wochen vor der Versorgungsunterbrechung erfolgen muss, auch über „Möglichkeiten zur Vermeidung der Unterbrechung“ zu informieren.
Ausdrücklich müssen die Kund*innen über die Möglichkeit zum Abschluss einer „Abwendungsvereinbarung“ informiert werden. Dies ist eine Vereinbarung zu einer Ratenzahlung, mit der die Zah-lungsrückstände in einem für den „Grundversorger sowie für den Kunden wirtschaftlich zumutbaren Zeitraum“ ausgeglichen werden. „Regelmäßig zumutbar ist ein Zeitraum von sechs bis achtzehn Monaten“. Der Grundversorger hat den Betroffenen „spätestens mit der Ankündigung der Unterbrechung der Grundversorgung“ „zugleich in Textform“ den Abschluss einer solchen Vereinbarung „anzubie-ten“. Dabei sind auch die Ratenhöhe und der Zahlungszeitraum zu erläutern. Die Sperre ist „acht Werktage im Voraus anzukündigen“.
Als weitere Möglichkeiten der Vermeidung einer Sperre, über die der Grundversorger informieren könne, sind „örtliche Hilfsangebote“, „Vorauszahlungssysteme“, „Energieberatungsdienste“ und der „Hinweis auf staatliche Unterstützungsmöglichkeiten der sozialen Mindestsicherung oder anerkannte Schuldner- und Verbraucherberatung“ genannt. 
Die Informationen sind „auch in Leichter Sprache mitzuteilen“. Als Kommunikationsform wird zusätzlich die Textform eingeführt. Kund*innen können die angebotene Ratenzahlungsvereinbarung per Textform annehmen mit der Folge, dass die Sperre dann nicht mehr zulässig ist. Sie können Gründe für eine Unverhältnismäßigkeit der Sperre ebenfalls in Textform vortragen. Sperrandrohung und -ankündigung des Grundversorgers müssen weiterhin auch in Schriftform erfolgen. 

Die Regelungen binden nur den Grundversorger, für andere Anbieter sind u.a. die Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes maßgebend, das zeitgleich novelliert wird. Die neuen Schutzregelungen in § 19 Strom- und Gasgrundversorgungsverordnung (aktuelle Fassung) könnten Gestaltungsfreiräume in den Kommunen eröffnen, in denen Stadtwerke als Grundversorger agieren. (Siehe auch: Aus der Praxis für die Praxis: Stromsperren in der Schuldnerberatung Stroetmanns Fabrik.)

Beschluss des Bundesrates vom 25.06.2021

Gefördert durch das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration