Dem (aufstockend Grundsicherung beziehenden) Angehörigen der Verstorbenen ist die Übernahme der Bestattungskosten nicht im Sinne von § 74 SGB XII zumutbar, nachdem er das Erbe wegen deutlicher Überschuldung ausgeschlagen hatte. (Verkürzter Leitsatz des LSG)

Sachverhalt: Der Kläger, der als Rentner aufstockende Grundsicherung im Alter bezieht, war nicht in der Lage, die Kosten der Bestattung seiner Schwester zu bezahlen. Wegen Überschuldung seiner verstorbenen Schwester (offene Verbindlichkeiten rund 44.000 Euro) schlug der Kläger das (Allein)Erbe aus. Der Sozialhilfeträger lehnt den Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten in Höhe von insgesamt 3.239,77 Euro mit der Begründung ab, auf dem Girokonto der Verstorbenen seien zwischenzeitlich ausreichende Geldmittel eingegangen (Rücküberweisungen des Pflegeheimes der Verstorbenen von 3.077,68). Dieses Guthaben kehrte die kontoführende Bank allerdings an einen Pfändungsgläubiger aus.

Nach § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

Aus der Entscheidungsbegründung: Der Kläger ist zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet und damit Anspruchsberechtigter nach § 74 SGB XII. Der Kläger hat zwar das Erbe ausgeschlagen, sodass er nicht als Erbe bereits zur Tragung der Kosten der Bestattung verpflichtet wäre, er ist allerdings gemäß (…) Bestattungsgesetz Baden-Württemberg (Anm. d. Red.: entspricht § 8 Bestattungsgesetz NRW) als Angehöriger verpflichtet für die Bestattung zu sorgen und damit auch die entsprechenden Kosten zu tragen, nachdem kein (vorrangiger) Erbe vorhanden gewesen war.

Nach Auffassung des LSG ist es dem Kläger unter Berücksichtigung aller Umstände aber nicht zumutbar, die angefallenen Bestattungskosten selbst zu tragen. Selbst wenn die Kostentragung nicht zur  Überschuldung oder zur Sozialhilfebedürftigkeit des Kostenverpflichteten (Angehörigen) führe – so das LSG -, könne der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Auswirkungen einer Kostentragung dafürsprechen, dass die Belastung unzumutbar im Sinn des § 74 SGB XII ist. Der rechtsunkundige Kläger habe nach Ausschlagung der Erbschaft keine Möglichkeit mehr gehabt, Kenntnis von der Gutschrift des Heimentgeltes zu erhalten. Er durfte davon ausgehen, dass der Nachlass seiner Schwester massiv überschuldet war. Er sei auch weder vom Sozialhilfeträger noch vom Nachlasspfleger darauf hingewiesen worden, dass er als Bestattungspflichtiger unter Umständen seine Bestattungskosten nach § 324 Abs. 1 Nr. 2 InsO bevorrechtigt im Rahmen der Nachlassinsolvenz hätte geltend machen können. LSG BW, Beschluss vom 27.11.2023 – L 2 SO 1092/23

Hinweis: Das LSG NRW begründet mit Verweis auf § 8 Bestattungsgesetz NRW die Pflicht zur Tragung der Bestattungskosten des danach vorrangig verpflichteten Angehörigen (das volljährige Kind), auch wenn der nachrangig verpflichtete Angehörige (die Schwester) die Bestattungsverträge abgeschlossen und die Kosten bezahlt hat und Ausgleich der Kosten gegen den eigentlich Verpflichteten verlangt.
Dieser habe dann einen Anspruch auf Kostenübernahme nach § 74 SGB XII, wenn die Kostentragung für ihn unzumutbar ist.
LSG NRW, Beschluss vom 06.05.2020 – L 9 SO 435/19 B

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