Ein innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB erfolgter Ausgleich des Mietrückstands beziehungsweise eine entsprechende Verpflichtung einer öffentlichen Stelle hat lediglich Folgen für die auf § 543 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 3 BGB gestützte fristlose, nicht jedoch für eine aufgrund desselben Mietrückstands hilfsweise auf § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB gestützte ordentliche Kündigung.
Diese (beschränkte) Wirkung des Nachholrechts des Mieters entspricht dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, so dass der an Gesetz und Recht gebundene Richter (Art. 20 Abs. 3 GG) diese Entscheidung nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen darf, die so im Gesetzgebungsverfahren (bisher) nicht erreichbar war.
(Leitsätze des BGH)

Sachverhalt: Wegen des aufgelaufenen Mietrückstands in Höhe von mehr als zwei Monatsmieten erklärte die Vermieterin die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Nach Zustellung der auf Räumung und Herausgabe gerichteten Klage hat der Mieter die rückständige Miete beglichen. Das Amtsgericht hat der Räumungsklage der Vermieterin aufgrund der hilfsweise ausge-sprochenen ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses stattgegeben. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Mieters hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Räumungsklage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Vermieterin.

Entscheidungsgründe: Die auf die ausgebliebenen Mietzahlungen des Mieters gestützte ordentliche Kündigung sei nicht infolge der Schonfristzahlung (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB unwirksam geworden. Eine solche Zahlung habe lediglich Folgen für die fristlose Kündigung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) (Rn. 26). Von dieser „ständigen und gefestigten Rechtsprechung“ abzu-weichen, gebe es keine Veranlassung (Rn. 30).
Insbesondere folge aus der älteren und jüngeren Gesetzgebungsgeschichte, dass die Schonfristzahlung nur die fristlose, nicht auch die ordentliche Kündigung erfasse (Rn. 45 ff., 64 ff., 84 ff.). Auch aus Sinn und Zweck des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB lasse sich dessen Anwendung auf die ordent-liche Kündigung nicht begründen (Rn. 55 ff.). Denn die Schonfristzahlung diene der Vermeidung von Obdachlosigkeit des Mieters (Rn 56), die aber bei einer mit einer mindestens dreimonatigen Kündigungsfrist (§ 573c Abs. 1 BGB) einhergehenden ordentlichen Kündigung in geringerem Maße drohe als bei einer fristlosen Kündigung (Rn. 58). Schließlich könne der Zusammenhang von mietrechtlichen Schutzregelungen mit sozialrechtlichen Regelungen zur Mietschuldenübernahme in § 22 SGB II und § 36 SGB II eine Erstreckung der Schonfristzahlung auf die ordentliche Kündigung nicht begründen (Rn. 72), auch wenn gewisse Wertungswidersprüche bestünden.
Überdies seien unverschuldete wirtschaftliche Notlagen mietrechtlich zu berücksichtigen. Mieter*in-nen könnten sich – anders als bei der fristlosen Kündigung – auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe berufen (Rn. 82). Davon abgesehen sei bei einem Ausgleich der Mietrückstände zu prüfen, ob die Berufung auf die ordentliche Kündigung als treuwidrig erscheine (Rn. 83, BGH VIII ZR 231/17).

Eine Übertragung der Wirkung der Schonfristzahlung auf die ordentliche Kündigung, die bislang im Parlament nicht erreichbar gewesen sei, sei nach alledem nicht Aufgabe der Rechtsprechung (Rn. 87).

Anmerkung: Damit ist der Ball dem Gesetzgeber zugespielt: Der Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition sieht insoweit vor, „das Mietrecht, insbesondere dort wo Schonfristzahlungen dem Weiterführen des Mietverhältnisses entgegenstehen, (zu) evaluieren und entgegen(zu)steuern“ (Rn. 3054 ff.). Bis dahin ist es erwägenswert, wenn Schuldner*innen (oder deren Berater*innen), wie bei Leistungsträgern wohl zwischenzeitlich üblich, darauf achten, dass Schonfristzahlungen regelmäßig nur bei Rücknahme der ordentlichen Kündigung geleistet werden.

BGH, Urteil vom 13.10.2021 – VIII ZR 91/20