Ein mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Pfändungsschuldners schwebend unwirksam gewordenes Pfändungspfandrecht lebt dann, wenn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht vom zuständigen Vollstreckungsorgan aufgehoben worden ist, mit der Freigabe der gepfändeten Forderung oder mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens wieder auf, ohne dass es einer erneuten Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner bedarf. (Leitsatz BGH)

Der BGH klärt in dieser Entscheidung noch einmal die Wirkung einer mit einer Pfändung verbundenen Verstrickung.

Sachverhalt (vereinfacht): Die Gläubigerin pfändet die Ansprüche des Schuldners aus einer Lebensversicherung. Diese Ansprüche hatte der Schuldner zuvor bereits einem Dritten zur Absicherung eines Darlehens verpfändet. Der Schuldner beantragt zwei Wochen nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Treuhänderin gibt die Lebensversicherung aus der Masse frei. Die Pfändung durch die Gläubigerin hält sie aufgrund des § 88 InsO für wirkungslos. Der Schuldner erhält die Restschuldbefreiung. Die Gläubigerin verlangt die Zahlung der Summe aus der zwischenzeitlich fälligen Lebensversicherung.

Entscheidung: Der BGH bejaht den Zahlungsanspruch der Gläubigerin. Sie habe die Ansprüche des Schuldners aus der Lebensversicherung gemäß §§ 829, 835 ZPO wirksam gepfändet. Das Pfändungspfandrecht habe mit der Freigabe der gepfändeten Forderung durch die Treuhänderin wieder volle Wirksamkeit erlangt, ohne dass eine erneute Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erforderlich gewesen wäre (Rn. 9). Zwar werde nach § 88 InsO die Pfändung mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam. Die Unwirksamkeit sei jedoch „schwebend, gilt also nur so lange, als dies für die Zwecke des Insolvenzverfahrens erforderlich ist. (…) Sie erfasst die materiell-rechtliche Wirkung der Pfändung, mithin das Pfändungspfandrecht, nicht die Verstrickung“ (Rn. 10). „Die Verstrickung besteht fort, wenn die sie begründende Vollstreckungshandlung nicht vom zuständigen Vollstreckungsorgan aufgehoben wird“ (Rn. 11). Bestehe die Verstrickung fort, lebe die Sicherung des Gläubigers wieder auf, wenn der betroffene Vermögensgegenstand vom Insolvenzverwalter freigegeben oder das Insolvenzverfahren ohne Verwertung des Gegenstandes aufgehoben werde (Rn. 12). Die erteilte Restschuldbefreiung wirke sich auf das Pfändungspfandrecht nicht aus. Die Gläubigerin sei gemäß § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO berechtigt, sich aus dem Pfändungspfandrecht zu befriedigen (Rn. 14).

BGH, Urteil vom 19. November 2020 – IX ZR 210/19